
Eine Ausbildung im Handwerk ist ein praxisbezogener Einstieg ins Berufsleben, der vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten bietet. Der Bereich Kfz-Mechatronik ist nur ein Beispiel von vielen. Florian Edfelder ist Dozent und Ausbildungsmeister Kfz bei der Handwerkskammer (HWK) für München und Oberbayern. Er unterrichtet am Bildungszentrum Traunstein und rät:
Lerne erst einen Beruf und studiere danach.
An diesem Nachmittag ist es ruhig in der hintersten Werkstatthalle des HWK- Bildungszentrums Traunstein. Wegen Umbauarbeiten in den Räumlichkeiten hat Florian Edfelder diese Woche keine Lehrlinge. Stattdessen hat er gerade eine E-Klasse von Mercedes-Benz in Arbeit, die mit 106 Steuergeräten ausgestattet ist. „Das sind quasi 106 kleine Computer, die sich alle miteinander unterhalten. Die ganze Vernetzung nennt sich Can-Bus-System und wird bei uns auch geschult“, erklärt der Ausbildungsmeister. Alles, was mit Elektronik und neuen Technologien wie Info-Entertainment zu tun hat, ist sein Steckenpferd. Auch die Hochvolt-Fahrzeuge fallen in seinen Unterrichtsbereich. „Stromer“ sind seit mehreren Jahren ein Pflichtbaustein der Kfz-Ausbildung.
Da Elektronik und Digitalisierung in sämtlichen Fahrzeugen stetig zunehmen, wurden vor einigen Jahren die beiden Ausbildungsberufe Kfz-Elektriker bzw. -Elektrikerin und Kfz-Mechaniker bzw. -Mechanikerin zusammengelegt. Wer sich heute für eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker bzw. zur Kfz-Mechatronikerin entscheidet, kann sich bereits nach dem ersten von dreieinhalb Ausbildungsjahren auf Landmaschinen oder Zweiräder spezialisieren oder den Schwerpunkt auf Pkw, Nutzfahrzeuge (LKW), Karosserietechnik oder Hochvolttechnik setzen.
Am Bildungszentrum der Handwerkskammer in Traunstein absolvieren alle Kfz-Auszubildenden der Region neun praktische Unterrichtswochen während ihrer Ausbildung. „Wir ergänzen damit die staatlichen Berufsschulen, die nicht so viel Praxis abdecken können. Außerdem haben wir bei uns die Möglichkeit, sehr stark ins Detail zu gehen. Wir bauen beispielsweise eine Hochvoltbatterie aus und zerlegen sie komplett. Da sind die Schülerinnen und Schüler anfangs oft etwas ängstlich, schließlich arbeiten wir im Bereich von 400 Volt. Alle tragen dann entsprechende Schutzarbeitskleidung, haben Helme mit Visier auf und dicke Gummihandschuhe an. Das spezielle Werkzeug ist bis 1.000 Volt isoliert“, erklärt Florian Edfelder.
Immer mehr Mädchen im Kfz-Bereich
In den letzten Jahren bemerkt der HWK-Ausbildungsmeister eine deutliche Zunahme der Wertschätzung in der Gesellschaft. „Außerdem wird viel besser gezahlt als früher. Der Unterschied zur Industrie ist nicht mehr so groß, wie er schon mal war“, so Edfelder. In seinen Unterrichtsklassen sitzen sowohl junge Leute, die schon von klein auf nichts anderes gemacht haben als an Fahrzeugen zu schrauben, als auch solche, die sich von der Technik begeistern lassen und schöne, schnelle Autos mögen. Auch der Anteil der Mädchen im Bereich Kfz-Mechatronik ist angestiegen und liegt bei circa elf Prozent. In Florian Edfelders Klassen ist von zwölf Schülern mindestens eine weiblich, manchmal sind es sogar drei. „Die Mädchen lernen den Beruf alle aus Überzeugung und nicht, weil‘s der Papa gesagt hat.“
Von Audi bis Fiat 500
Die Werkstatthallen am HWK-Bildungszentrum Traunstein sind top ausgestattet. Im modernen Schulungsraum werden unter anderem Schalttafeln mit Einzelsystemen eingesetzt, etwa der kompletten Beleuchtung eines VW Golf samt aller Steuergeräte, oder einer Wand mit Hochvoltsystem. Außerdem verfügt das Bildungszentrum über 16 Fahrzeuge. Besonders beliebt bei den Schülerinnen und Schülern sind die sportlichen Modelle wie der Audi R8, der Audi TT als Cabrio und geschlossene Variante sowie der 3er und 1er BMW. Ausgebildet wird aber auch an einem Fiat 500, an Seat-Fahrzeugen, VW Golf-Modellen und Hochvoltfahrzeugen, teil als Hybridausführung. „An einigen Autos wird die Fahrgestellnummer entnommen, so dass sie nicht mehr verkehrstauglich sind, an ihnen wird nur noch gearbeitet und gelernt“, erklärt Florian Edfelder. Für ihn bleibt Kfz-Mechatronik definitiv ein Beruf mit Zukunft. „Mobilität wird gebraucht, in welcher Form auch immer. Die Gesetzgebung gibt den Rahmen für neue Technologien vor, die schnell entwickelt werden müssen. Da sind gute Fachleute gefragt.“
Dank eines nach oben durchlässigen Ausbildungssystems kann man sich im Kfz-Bereich weit nach oben arbeiten, wie Florian Edfelder selbst erfahren hat. Er wusste schon als Kind, dass er „mal was mit Autos machen will“, und hat am heimischen Bauernhof am liebsten an den Fahrzeugen gebastelt. Nach seiner Ausbildung beim Autohaus Bachfrieder Nutzfahrzeuge (Mercedes-Benz) war er fast 29 Jahre im Unternehmen und ist vom Servicetechniker zum Kfz-Mechatronikermeister, Ausbildungsleiter und weiter zum Serviceleiter (Betriebsleitung) aufgestiegen. Nebenbei ist er seit 18 Jahren im HWK-Prüfungsausschuss tätig. Ans Traunsteiner Bildungszentrum hat er gewechselt, als dort seine jetzige Stelle frei wurde. Sein Rat an junge Leute: „Lernt ein Handwerk und bleibt nach der Ausbildung nicht stehen. Ein guter Handwerker ist einer, der sich immer weiterbildet, der zum Beispiel seinen Meister macht und dann vielleicht sogar noch studiert. Es stehen einem so viele Türen offen.“